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BRASIL-EUROPA
www.brasil-europa.eu

Studienzentrum BRASIL-EUROPA
Villa Pedro II°

Europäischer Sitz der
Akademie Brasil-Europa für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft
Dieringhauser Str. 66
51645 Gummersbach
Bundesrepublik Deutschland
Vors. Prof. Dr. Antonio Alexandre Bispo

Pedro II° (1825-1891) ist die herausragendste Gestalt der brasilianischen Geschichte, die im Denken und Handeln der Wissenschaft, Kultur und Philosophie einen besonderen Stellenwert beimaß. Vom Streben nach wissenschaftlich fundierter Erkenntnis geleitet, die ein umfassendes Wissen von den Kulturen der Welt und ihren Wechselbeziehungen voraussetzte, mit der Bereitschaft, sich stets nach dem neuen Stand des Denkens auf internationaler und interdisziplinärer Ebene zu orientieren, mit seinen Bemühungen, Bildung, Kultur und Forschung bei der Ausübung seines Amtes Vorrang einzuräumen, erscheint Pedro II° heute als eine Gestalt der Geschichte, die in besonders aktueller Weise auf die Bedeutung und die Notwendigkeit einer wissenschaftlich fundierten und ethisch geleiteten Reflexivität hinweist. Wie nur wenige seiner Zeit nahm er Kontakte auf zu Vertretern der verschiedenen Sphären des Forschens und des Schaffens aus mehreren Nationen; er stand in Verbindung mit europäischen und nordamerikanischen Institutionen, Forschern und Gelehrten; er unterstützte die Durchführung von Studien von Europäern in Brasilien und Studienaufenthalte von Brasilianern in Europa. Aus diesem Grund sucht die Akademie Brasil-Europa für Kultur- und Wissenschaftswissenchaft, deren europäisches Studienzentrum nach ihm benannt ist, sein Andenken bei ihren Bemühungen um die Kulturforschung internationaler Beziehungen in besonderer Weise zu bewahren.

 

D. Pedro II. und die Wissenschaften
(Auszug aus dem Vortrag im Eröffnungsjahr des europäischen Studienzentrums der A.B.E. 1997 unter der Schirmherrschaft der Brasilianischen Botschaft in Bonn)

» Dr. Harald Hülskath

Pedro II.(...)

Zum Anlaß seines 150. Geburtstages 1975 wurden mehrere bedeutsame Arbeiten über Pedro II. veröffentlicht. Hervorzuheben ist ein Katalog des brasilianischen Nationalarchivs aus dem Jahre 1977 mit Dokumenten zu Kultur und Wissenschaft aus dem diplomatischen Verkehr zwischen Pedro II. und den brasilianischen Gesandten im Ausland. Daraus wird ersichtlich, welche Publikationen, Kunstwerke, technischen Geräte und wissenschaftlichen Sammlungen auf offiziellem Weg nach Brasilien gekommen sind und welche Beziehungen der Kaiser zu Gelehrten und Institutionen pflegte. (Ministério da Justiça, Arquivo Nacional. Dom Pedro II e a Cultura. Rio de Janeiro, 1977 [Publicações históricas, 1a. Série, 82] [Forschung und Zusammenstellung: Maria Walda de Aragão Araújo])

Seitdem sind weitere Studien erschienen; dennoch ist die Rolle Pedros innerhalb der Wissenschafts- und Kulturgeschichte bei weitem nicht ausreichend erforscht.

(...)

An erster Stelle muß bei einer Betrachtung des Themas "Pedro II. und die Wissenschaften" das Historisch-Geographische Institut Brasiliens genannt werden, das von ihm besonders unterstützt wurde. Er war bei Sitzungen und Vorträgen persönlich anwesend, nahm an Diskussionen teil und regte die Durchführung von Studien an. Er war hoch interessiert an der wissenschaftlichen Erkundung Brasiliens und unterstützte deshalb auch ausländische Wissenschaftler und Forschungsexpeditionen.

Pedro II. konnte wegen seines Amtes nicht zu wissenschaftlichen Publikationen mit eigenen Arbeiten beitragen. Er sah sich auch außerstande, an Satzungen von Gesellschaften mitzuarbeiten oder periodische Publikationen zu subventionieren, obwohl er sie mit Spenden unterstützte. Er erstellte keine Gutachten über die gelesenen Werke, gab keine Autogramme und verlieh grundsätzlich keine Auszeichnungen für ihm gewidmete Arbeiten.

Sein persönlicher Beitrag zur Entwicklung der Wissenschaften beruhte vor allem auf seiner Kenntnis des Standes der Forschung in vielen Wissensgebieten und seinen persönlichen Kontakten zu Gelehrten im Ausland, die er bei ausgedehnten Reisen in Europa und Nordamerika anknüpfte.

Ständige Aktualisierung

Pedro II. informierte sich über den neuesten Stand verschiedener Wissenschaften zunächst durch Kataloge. 1853 ernannte er eine Buchhandlung in Paris zum kaiserlichen Hoflieferanten. Aus Nordamerika erhielt er bereits zu dieser Zeit die amerikanischen Almanache. In Portugal bestanden Beziehungen zum Antiquar Monteiro Campos, in Deutschland zum Antiquar Hoehlers und zu Riemann in Coburg. Der Buchhändler Trübner aus London bot ihm 1878 eine Büchersammlung über die Besetzung des portugiesischen Throns durch Dom Miguel an. Auch Bibliotheken und andere Kulturinstitutionen ließen ihm Informationen und Publikationen zukommen. So erhielt Pedro 1879 den Gesamtkatalog der in der Bibliothek von Boston vorhandenen Bücher über brasilianische, portugiesische und spanische Themen und von der allgemeinen Museendirektion Berlins die Gesamtausgabe der Werke von Friedrich dem Großen. Auch die Prachtausgabe der Flora von Martius erreichte ihn auf diesem Wege. Als 1882 der Katalog der im Britischen Museum aufbewahrten Handschriften erschien, erwarb ihn Pedro umgehend. Ebenfalls bestellte er in diesem Jahr die erste englische Version der Lusíadas von Camões. Mehrere europäische und nordamerikanische Bibliotheken kannte er persönlich. Hervorzuheben ist die Bibliothek der königlichen Akademie der Wissenschaftten in Lissabon, die er mehrmals besuchte. Als er von der Herausgabe eines International Scientist Directory 1881 hörte, ließ er sofort seine Gesandten in Europa danach forschen. Vor allem über die Entwicklung in Frankreich war er bestens informiert, von wo er den Guide scientifique erhielt.

Bei der Verfolgung der neuen wissenschaftlichen Publikationen und Tagungen war die Mitarbeit der Legationen im Ausland notwendig. Der bevollmächtige Minister in Frankreich wurde bereits 1864 damit beauftragt, wissenschaftliche Periodika zu abonnieren. 1879 stellten die brasilianischen Gesandten in London eine Sammlung von Zeitungsausschnitten über Arbeiten der britischen Gesellschaft für den Fortschritt der Wissenschaft zusammen.

Verbindung zu wissenschaftlichen Institutionen

Seine Verbindungen zu wissenschaftlichen Akademien waren in erstaunlicher Weise vielfältig. Da Pedro z.B. Vorträgen und Experimenten in der Akademie der Wissenschaften in Philadelphia beiwohnte, sendete ihm 1876 diese Institution mehrere Publikationen. Beste Verbindungen bestanden zur Akademie der Medizin in Paris, deren Gutachten er bei der Würdigung von medizinischen Publikationen und Dissertationen einholte. 1885 wurden ihm die Annalen der Akademie der Wissenschaften von Berlin zugesandt.

Pedro II. förderte auch finanziell mehrere wissenschaftliche und kulturelle Gesellschaften und Unternehmungen des Auslandes. So unterstützte er z.B. das Archaelogical Institute of America 1879 und die wissenschaftliche Gesellschaft Flammarion von Marseille 1885. Das wissenschaftliche Interesse von Pedro II. wurde von den Institutionen anerkannt. Er wurde Mitglied mehrerer europäischer und amerikanischer Gesellschaften, wie z.B. der Gesellschaft für Naturgeschichte von Mexiko 1884.

Im gleichen Jahr wurde ihm der Titel eines Doktor h.c. der Universität Löwen verliehen. In Deutschland bestanden besondere Beziehungen zu Einrichtungen des Großherzogtums Baden. So wurde er über das neue Krankenhaus der medizinischen Fakultät Heidelberg eingehend informiert. Aus Jena wurde ihm das Verzeichnis der dort vorgelegten Dissertationen zugeschickt. Er pflegte Beziehungen zu Gelehrten aus Gent, Erlangen, Genf, Breslau, Stockholm, Wien, Yale, Budapest, Padua u.a. Städten Europas und Nordamerikas. In Nordamerika verfolgte er vor allem die Arbeiten des Smithsonian Instituts. Bei seinem Besuch in Oxford beobachtete er die Übersetzungsarbeiten des neuen Testaments und bestellte sogleich dieses Werk.

Pedro II. verfügte über ein hervorragendes Gedächtnis, das ihm erlaubte, die zahlreichen Autoren, Publikationen, Fakten und Ideen zu behalten. Bei seinen Besuchen in den verschiedensten Institutionen machte er sich aber auch häufig schriftliche Notizen. Er wurde sogar zum ersten Ehrenmitglied des Nationalen französischen Zirkels zur Förderung der Stenographie ernannt.

Mathematik

Als Voraussetzung für die Entwicklung der Wissenschaft in Brasilien erschien ihm die Förderung des Studiums der Mathematik. Seit 1864 erhielt er die Nouvelles annales de mathematique, 1875 eine Neue Methode deskriptiver Geometrie, 1883 Publikationen über Ellipsographie aus Italien, 1884 ein Werk über darstellende und projektive Geometrie aus Österreich, und ab 1886 abonnierte er das American Journal of Mathematics. Durch die neuen Anregungen entstanden in Brasilien selbst Publikationen über Arithmetik und Geometrie, wie die Übungen von Pereira de Carvalho aus Niteroi von 1885.

Astronomie

Eine besondere Aufmerksamkeit widmete Pedro II. der Astronomie. In Brasilien war sie im Kaiserlichen Astronomischen Observatorium in Rio de Janeiro vertreten. Als ein französischer Geistlicher die Astronomie in den Studiengang für die Seminaristen von São Paulo Anfang der siebziger Jahre einführte, erhielt er die volle Unterstützung des Kaisers. Bei seinen Besuchen im Ausland bestand Pedro II. darauf, Observatorien zu besuchen, wie z.B. 1876 das von Athen, das unter der Leitung des deutschen Wissenschaftlers Dr. Julius Schmidt stand, der ihm später seine Publikationen zukommen ließ. 1878 erhielt er das Kursmaterial für Astronomie der belgischen Kriegsschule. 1880 bestellte er in Belgien die Allgemeine astronomische Bibliographie von Houzeaz und Lancaster. Er wurde von kanadischen Astronomen über die neuen Forschungen bezüglich der Bewegung der Himmelskörper unterrichtet und war besonders über die Mars-Forschung informiert. Auch eine neue Theorie von 1880 über die physikalische Zusammensetzung der Sonne war ihm geläufig. 1882 abonnierte er die französische Zeitschrift für Astronomie. Als im gleichen Jahr englische Wissenschaftler zu Beobachtung des Venus-Durchganges nach Chile geschickt wurden, bestand er darauf, von den brasilianischen Gesandten genauestens über die Ergebnisse informiert zu werden. Fachpublikationen erhielt er 1887 von der Liverpool Astronomical Society und 1889 vom Leiter des Observatoriums in Hamburg.

Chemie und Physik

Mit Interesse verfolgte Pedro II. auch die Entwicklungen in der Chemie. 1863 kamen aus Frankreich 8 Kisten mit Geräten und Produkten für das chemische Labor des Kaisers in Rio an. Seit 1864 abonnierte er die Annales de Chimie et Physique aus Frankreich. Als ihm Dupuy 1889 den ersten Band seines Werkes über Alkaloide zukommen ließ, ließ ihn Pedro über seine Gesandten wissen, daß er vor einer eventuellen Anerkennung des Autors erst persönlich dessen Werk begutachten wolle.

Geologie und Geographie

In der Geologie und Mineralogie rechtfertigte sich das Interesse des Kaisers durch die Bodenschätze Brasiliens. Zur Errichtung einer Statue für den Geologen Elias de Beaumont in Frankreich trug er finanziell bei. Er verfolgte persönlich die Untersuchungen über brasilianische Mineralien von Persifer Trazer in Philadelphia und erhielt das großangelegte Werk Geology of New Hampshire. Vor allem der Hydrographie widmete er besondere Aufmerksamkeit, und mit Begeisterung las er Reisebeschreibungen nicht nur über Brasilien. Er verfolgte mit Interesse Expeditionen, so z.B. die österreichische Forschungsreise zum Nordpol.

Im Bereich der Geographie ist vor allem zu erwähnen, daß er Ehrenmitglied mehrerer geographischer Vereine war, wie z.B. derjenigen von Argentinien und verschiedener Städte Frankreichs. Er erhielt die Jahrbücher der Geographischen Gesellschaft in München, die Akten der Geographischen Gesellschaft in London, die Bulletins der geographischen Gesellschaft in Antwerpen und bestellte ab 1881 die Bulletins des Internationalen Geographischen Instituts. Aus England erhielt er Werke über Geodäsie. Noch im letzten Jahr seiner Regierung beschäftigte er sich mit Topographie und erhielt Publikationen der Societé de topographie de France.

Medizin und Biologie

Pedro II. erhielt die Berichte internationaler medizinischer Kongresse und Publikationen über Ophthalmologie, Otologie, Pathologie, Pädiatrie und Psychopathologie. Er unterstützte finanziell das Institut Pasteur. Er hörte Vorträge über Zoologie und Naturgeschichte in den Vereinigten Staaten und erhielt Bücherreihen über Vergleichende Zoologie. Er abonnierte Publikationen über die Ornitologie in Papua und auf den Molluken, über die Vogelwelt von Australien, über Schmetterlinge in Indien, Burma und Ceylon, die Veröffentlichungen des Ornithologischen Vereins in Wien und den Jahresbericht des Komitees für Ornithologische Beobachtungsstationen in Österreich-Ungarn. Zur Errichtung einer Büste von Henri Bouley, des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften Frankreichs, in der Veterinär-Hochschule in Paris trug er mit einer Spende bei. Seine wissenschaftliche Insektensammlung stellt Pedro II. der Akademie für Wissenschaften, Künste und Handwerk in Barcelona zur Verfügung.

Geschichte und Philologie

Die Geisteswissenschaften waren in Brasilien weiter entwickelt als die Naturwissenschaften. An erster Stelle ist die Geschichtswissenschaft zu erwähnen, die durch die Arbeit des Historisch-Geographischen Instituts und das persönliche Interesse von Pedro II. besonders gefördert wurde.
Hervorzuheben ist das Interesse von Pedro II. an Philologie und an der Quellenforschung. Er erwarb Lexika, Etymologien und linguistische Untersuchungen verschiedener alter und neuer Sprachen, wie z.B. Griechisch, Latein, Russisch und Tupi-Guarani. Bereits 1850 bestellte er durch die Gesandtschaft in Paris Kopien mehrerer dort aufbewahrter Handschriften, die für Brasilien von Interesse waren. 1878 fand der Gesandte in Portugal eine seltene Ausgabe des Werkes übeer Brasilien von Teixeira Albernás von 1631. Das historiographische Interesse des Kaisers war in Fachkreisen bekannt, so daß der Autor der Historiographie de France ihm 1879 ein besonders gestaltetes Exemplar seines Werkes zusandte. Pedro war in der Lage, Publikationen in verschiedenen Sprachen zu studieren und Übersetzungen zu beurteilen. 1878 beschäftigte er sich beispielsweise mit einer auf Hebräisch veröffentlichten Arbeit über den deutsch-französischen Krieg. Ein besonderes Interesse brachte er nämlich der deutschen Geschichte entgegen. 1882 bestellte er ein Exemplar des Werkes Die Hohenzollern und das deutsche Vaterland. Auch über Belgien besaß er mehrere Publikationen.

Pedro II. kannte besonders gut die Geschichte des amerikanischen Kontinents. Er war Mitglied der Internationalen Gesellschaft der Amerikanisten und Subskribent der Amerikanischen Enzyklopädie. 1879 erhielt er ein Werk über die damals sehr diskutierten Hypothesen über Beziehungen zwischen Amerika und der Alten Welt vor Columbus. Auch erhielt er polemische Schriften über die Umstände der Entdeckung und der Eroberung der Neuen Welt, die in Peru veröffentlicht worden waren. Über die Publikationen zur Geschichte der Vereinigten Staaten war er gut informiert. Er ließ durch Gesandte die in Publikationen erwähnten älteren Werke aufspüren und kannte die Schriften mehrerer nordamerikanischer Staatsmänner. Er las Reiseberichte von Europäern über Lateinamerika und erhielt über die Gesandtschaften Werke über verschiedene südamerikanische Nationen. Die Publikationen über Brasilien, die in Europa erschienen, nahm er selbstverständlich zur Kenntnis, wie z.B. ein in Leipzig 1873 erschienenes Buch über die Provinz von Paraná. Als 1886 in Frankreich eine Internationale Gesellschaft für Brasilianische Studien gegründet wurde, wurde sein Bildnis an ihrem Sitz aufgestellt.

Archäologie und Anthropologie

Bemerkenswert ist das Interesse von Pedro II. für die Frühgeschichte, Archäologie und Anthropologie. Er erhielt 1881 Publikationen über den prähistorischen Menschen in Frankreich und Algerien; 1883 bestellte er z.B. in Wien Werke zur Frühgeschichte in Böhmen. Er unterhielt Beziehungen zu bekannten Archäologen und zum deutschen archäologischen Institut in Rom. Er war über die Ausgrabungen in Rom und im portugiesischen Citobriga gut informiert. Er ließ seinen Gesandten in London archäologische Werke über Indien anschaffen und seinen bevollmächtigten Minister in Deutschland das Werk Das Gräberfeld von Hoban im Lande der Osseten kaufen. Über die vorkolumbianische Vergangenheit Mexikos, Perus und Noramerikas war er im Bilde. Das Institut de France sandte ihm 1884 den Korpus der semitischen Inschriften. Von der Smithsonian Institution erhielt er durch die brasilianische Zentralkommission für internationalen Publikationsaustausch das Verzeichnis der von 1847 bis 1878 erschienenen Bücher über Anthropologie.

Religionswissenschaft

Hervorzuheben ist auch die Aufmerksamkeit, die Pedro II. religionsgeschichtlichen bzw. religionswissenschaftlichen Publikationen widmete. Er las die französische Kirchengeschichte des 18. Jahrhunderts von Remade, die 1876 erschien. Er ließ die Szenen der Kirchengeschichte von Ivanoff aus dem Jahre 1879 durch die Zentraldirektion des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom beschaffen. Ab 1882 erhielt er die Zeitschrift für Religionsgeschichte und die Annalen des Museums Guimet in Lyon sowie eine Publikation über den Buddhismus. Über die afro-amerikanischen Traditionen war er durch das Buch Le Pantheon Haitien von Edouard informiert. Über jüdische Geschichte, Riten und Bräuche besaß er mehrere Werke. Der Bibliothekar der britischen Königlichen Asiatischen Gesellschaft ließ ihm die indischen Veden in Übersetzung von Max Müller 1877 zukommen. Im folgenden Jahr erhielt er eine "Geschichte von Konfuzius".

Kunst und Musik

Auch das Interesse Pedros für die Künste und die Musik war eher wissenschaftlicher als praktischer Natur. Er besaß das damals grundlegende Werk von Hoorich über die Kunst in den Niederlanden vom 10. bis zum 15. Jahrhundert und mehrere Werke über Architekturgeschichte. 1876 erhielt er von einem Buchhändler in Halle das Werk Il Canzionere Portoghese della Bibliotheca Vaticana. 1878 befaßte er sich mit japanischer Musik anhand einer Arbeit von Alexander Krauss, und er informierte sich über die neuen Methoden musikalischer Gymnastik von Stanislas de Lesser aus Brüssel. Er abonnierte ab 1884 eine musikalische Zeitschrfit aus Paris. Pedro II. fühlte sich vor allem der Entwicklung des musikalischen Denkens im deutschen Sprachraum verbunden. Er förderte finanziell die Internationale Mozart-Stiftung in Salzburg und war von Richard Wagner und seinem musikalischen und literarischen Werk so beeindruckt, daß er diesen zur Übersiedlung nach Rio zum Aufbau einer brasilianischen Nationaloper einlud. Er besuchte das Festspielhaus in Bayreuth und unterstützte finanziell die Projekte Wagners in dieser Stadt. Er besaß einen Katalog der Publikationen über Richard Wagner von Osterlein. Das Anliegen von Pedro war es, die musikalische Abhängigkeit Brasiliens von Italien zu überwinden und den Anschluß des Landes an die mitteleuropäischen Entwicklungen der Musiksprache zu ermöglichen.

Fotografie

Eine besondere Erwähnung verdient die Begeisterung von Pedro II. für die Lithographie und vor allem für die sich damals entwickelnde Fotografie, die er vor allem in ihrem dokumentarischen Wert als Mittel zur Bereicherung des Wissens schätzte. Bezeichnenderweise war er z.B. an der Erfindung von Guilbot, Fotografien in künstlerische Stiche umzuwandeln, nicht sonderlich interessiert. Er kaufte sich ein Foto-Labor, erhielt 1872 aus Amsterdam chromolitographische Arbeiten, erwarb mehrere Fotosammlungen, wie z.B. über den diplomatischen Dienst fotografische Ansichten des Heiligen Landes und zwei Alben über Ruinen von Paris. Auch mit Landschafts- und Städtefotografien versuchte er, seinen Drang, die Welt kennenzulernen, zu stillen. So erhielt er Ansichten von Kanada und eine Fotosammlung über die Alpengipfel. Im eigenen Land verfolgte er anhand von Fotos den Bau der Paraná-Eisenbahn, die Errichtung eines Denkmals für seinen Vater, die Entwicklung der Kolonisation mit deutschen Einwanderern und den Bau von Schulen im Nordosten des Landes. Durch Fotos gewann er auch einen Einblick in die brasilianische Präsenz bei Weltausstellungen. Auch besaß er eine Fotosammlung mit Porträts der Präsidenten und Vize-Präsidenten der Vereinigten Staaten und von Bismarck. Er erwarb eine Fotosammlung über Objekte des Britischen Museums sowie eine umfangreiche frühgeschichtlich-ethnographische Sammlung mit 157 Fotos; er bestellte auch Fotografien der wichtigsten Objekte einer Ausstellung am Champs-Élysées. Mit Begeisterung nahm er Kenntnis von der Existenz einer Sammlung von mikroskopische Aufnahmen in Paris, die er für den Anatomie-Unterricht seiner Kinder kaufen ließ.

Angewandte Wissenschaften und Technik

Das Interesse von Pedro II. für angewandte Wissenschaft und die Technik sollte nicht unerwähnt bleiben. Er beschäftigte sich mit Ingenieurwissenschaften und erhielt Publikationen über Tragwerke, Dammbau, Hydraulik, Mechanik und Sanierungswesen. Bereits 1855 forderte er dringend Programme der Polythechnischen Hochschulen Europas an. Er abonnierte zahlreiche Periodika, die für die Entwicklung Brasiliens nützlich erschienen, wie z.B. seit 1864 die Annalen über Brücken- und Straßenbau, das Repertoire der Gesetzgebung über Eisenbahnwesen, die Internationale Zeitschrift für Eisenbahnen in der Welt, das Journal praktischer Landwirtschaft u.a. Er las auch populärwissenschaftliche Zeitschriften wie z.B. die Revue des Deux Mondes. Er stand in Verbindung zu mehreren Vereinen für industrielle Förderung, wie z.B. zur französischen Gesellschaft für die Förderung der Künste und der Industrie. Über die Methoden, Gebäude erdbebensicher zu machen, war er durch Publikationen der Universität von Padua informiert. Auch zeigt er Interesse an neuen Gartengeräten, an Blitzableitern und an der Erfindung des Füllfederhalters.

Agrarwissenschaft und Zootechnik

Entwicklungen in der Agrarwissenschaft und Zootechnik verfolgte Pedro mit besonderer Aufmerksamkeit. Er wurde zum korrespondierenden Mitglied der französischen Nationalen Gesellschaft für Landwirtschaft ernannt. Er stellte sogar einen Teil des Palastgartens in Rio einer zootechnischen Gesellschaft zur Verfügung. Über die praktischen Verfahren zum Nachweis von Wein-Verschnitt war er über die Französische Hygiene-Gesellschaft informiert. Auch erhielt er von der société d'Aclimatation die neuesten Untersuchungen aus der Fischereiwissenschaft, sogar aus China. Bei seinen Besuchen im Ausland legte er Wert darauf, neue technische Errungenschaften kennenzulernen. So wohnte er in Edinburgh den Experimenten von William Thompson zur Verlegung unterseeischer Kabel bei. Er war davon so beeindruckt, daß er die Initiative von Mackenzie und Wood voll unterstützte, Kabel in brasilianischen Gewässern zu verlegen. Von den unterseeischen Erkundungen der Bodenbeschaffenheit zwischen Pará und Pernambuco erhielt er mineralogische Proben. Bereits 1851 erhielt er einen kleinen elektrischen Telegaphen; er bestellte Modelle telegraphischer Systeme in Österreich und erhielt aus Deutschland Publikationen mit einführenden Anweisungen über elektrische Telegraphie. Er verfolgte die Arbeiten von Thomas Edison und führte als eine der ersten Gestalten des öffentlichen Lebens ein Telefongespräch. Mit Interesse begleitete er die Diskussion über die Vorteile des elektrischen Lichts gegenüber der Gas-Beleuchtung sowie die technische Entwicklung der Straßenbahnen und Aufzüge.

Erziehungswissenschaft

Die Hauptaufmerksamkeit von Pedro II. richtete sich stets auf die Förderung eines soliden Sekundarunterrichts. Die Heranbildung einer in der Schule gut vorbereiteten Jugend schien ihm Voraussetzung zur Entwicklung der höheren Studien zu sein. Nicht die Quantität, sondern die Qualität der Studierenden sollte ausschlaggebend sein. Die Modellschule des Landes war das 1837 gegründete Kaiserliche Kolleg Pedro II. in Rio de Janeiro. Der Kaiser selbst nahm oft höchstpersönlich an Schulfeiern, an Verteilung von Auszeichnungen und an Prüfungen teil. Ein besonderes Augenmerk widmete er der Schule, die er im Garten seiner Residenz errichten ließ. Er gab Anleitungen zum Bücherkauf und zur systematischen Einteilung der Bücher. Auch förderte er die Entwicklung des privaten Schulwesens, allem voran der berühmten "Abílio-Schulen", die vom gleichnamigen Baron gegründet und geleitet wurden. Pedro II. und sein Schwiegersohn D. Gastão d'Orleans haben sich persönlich dafür eingesetzt, daß in Rio de Janeiro ein erster Kongreß für Pädagogik stattfand. In einer Ausstellung wurden die damals aktuellsten Lehrmittel und der Stand der Didaktik in mehreren Ländern Europas präsentiert. Wegen dieses Engagements für den Unterricht wurde Pedro II. von seinen Kritikern ironisch auch als "Oberlehrer" der Nation bezeichnet.

Ansätze zu einer Würdigung

Pedro II. war ein Erforscher des Lebens und für ihn war das Leben ein Abenteuer. Er versuchte, seinen Horizont stetig zu erweitern und seine Kenntnisse zu vertiefen. Er suchte das Neue, das unerforschte Rätsel; er war bemüht, nichts zu verpassen, weder Bücher noch neue Errungenschaften. Er besaß die Gabe, Kontakte zu schließen, und hatte ein Gespür für zukunftsträchtige Entwicklungen. Er war bemüht, Wissensgebiete miteinander zu verbinden. Letztlich suchte er aber hinter allem den Sinn, die Quellen, die Wurzeln.

Für ihn hatte die Gedankenwelt Vorrang vor der Welt materieller Wirklichkeit. Diese sollte nicht die Welt der Ideen einschränkend bestimmen, sondern im Gegenteil: die von Erkenntnis geleiteten Vorstellungen sollten in der Realität Gestalt annehmen. So hoffte er, für sein brasilianisches Reich eine möglichst durch Kenntnisse und Reflexionen fundierte, verheißungsvolle Zukunft vorzubereiten.

(...)

 

 

» zu den europäischen Stimmen der Zeit: Vortrag in der Gesellschaft portugiesischer Architekten und Archäologen (1893) (nur auf Portugiesisch)

» zu Daten anderer Gestalten der Kulturgeschichte